Alle Jahre wieder: Der Tag der deutschen Sprache

08.09.2012 |

In Zeiten, in denen die europäische Zentralbank zur Eurorettung Staatsanleihen verschuldeter Staaten kauft, fordern deutsche Politiker ein Vetorecht für Deutschland im Zentralbankrat um solcherlei Hilfsmaßnahmen zu verhindern. Gemeinschaftwährung schon irgendwie, aber wehe es geht gegen deutsche Interessen! Da ist alle Solidarität vergessen. Mehr Respekt für den Sparweltmeister! Nationale Überheblichkeit auf ihrem Höhepunkt 2012.

Ins gleiche Horn der gekränkten nationalen Seele stößt auch der Verein Deutsche Sprache, der an diesem Sonnabend den alljährlichen "Tag der deutschen Sprache" ausruft:

"Mehr Respekt für Deutsch [...] Mit 42 Veranstaltungen in Deutschland und in anderen Ländern werben die Mitglieder des Vereins Deutsche Sprache e.V. für mehr Respekt für unsere Muttersprache."

Wozu das Ganze? Natürlich um "den Verfall unserer Sprache" und "dummes Denglisch" zu bekämpfen, da es "an Achtung vor der deutschen Sprache fehle", so der VDS-Vorsitzende und Ökonom(!) Walter Krämer. (VDS)

Also auch all die seltsamen Pseudo-Argumente wie jedes Jahr. Und wie jedes Jahr müssen Sprachwissenschaftler_innen erklären, dass es weder einen Verfall deutscher Sprache noch eine Verdrängung des deutschen durch das Englische gibt. Recht eloquent tut dies Nils Uwe Bahlo auf Deutschlandradio Kultur. Sehr humorvoll außerdem Anatol Stefanowitsch im Sprachlog. Dessen Quintessenz bringt auch unsere Kritik als Zahlpatenschaftler_innen so auf den Punkt, dass wir sie hier nochmal in einem längeren Auszug zitieren wollen:

"Ein Ganzkörperkondom für die deutsche Sprache wünscht der Verein Deutsche Sprache – wenn sich Sprachen schon nicht davon abhalten lassen, miteinander herumzumachen, dann doch bitte ohne den Austausch von Wörterflüssigkeiten. Wie die Leser/innen des Sprachlogs wissen, versuche ich seit vielen Jahren, darauf hinzweisen, dass die deutsche Sprache erwachsen ist und selber wissen muss, was sie tut. [...] Allerdings wird [...] so getan, als gebe es unter Sprachwissenschaftlern einen Streit über Vorzüge und Gefahren von Lehnwörtern. Den gibt es aber nicht. Es gibt nur phantasierte Gefahren seitens der Sprachnörgler, und seitens der Sprachwissenschaftler/innen die Erkenntnis, dass Entlehnungen keine Krankheit, sondern eher eine dringend benötigte Bedeutungstransfusion darstellen."

Die Sprachpflegeverirrungen, die nun am Tag der deutschen Sprache wieder auf uns niederprasseln, und deren Drift ins Nationalistische auf die Schippe zu nehmen, ist Anliegen unseres Projekts "Zahlpatenschaft". Pflegen wir die Welt der Zahlen! Sie sind transnational, ihr Gebrauch menscheheitsübergreifend, ihr Bestand unendlich und für alle teilbar! Werden Sie ZahlpatIn!

 

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